5.897 Meter – Besteigung des Vulkans Cotopaxi in Ecuador

Ecuadors zweithöchster Berg, der Cotopaxi, besitzt eine faszinierende Anziehungskraft. Ein aktiver Vulkan, freistehender perfekter Kegel mit Schnee drauf. Sein Name bedeutet “Hals des Mondes” in der Sprache der Indigenen. Der Gedanke, ob man das nicht schaffen könnte, dieses Monster zu besteigen, ging Michi und mir schon während der Reisevorbereitungen nicht aus dem Schädel. Schließlich hatten wir uns schon so einige Schweizer Gipfel erwandert und können wir uns vielleicht als ganz passable Bergsteiger betrachten, aber uns fehlte Erfahrung im Hochgebirge und auf Gletschern. Dann also ein 5.000er in Ecuador? Was für eine verrückte Idee!

Doch die Besteigung des Cotopaxi sollte – im Gegensatz zu seinem großen Bruder Chimborazo (6.310 m) technisch nicht besonders anspruchsvoll sein und ohne Guide würden wir uns sowieso nicht auf den Weg machen. Und die Zeit in Cusco auf 3.500 Metern, der Inka Trail mit seiner Höhe und dem 4.000er Pass und dann auch unser Aufenthalt Quito mit über 2.800 Metern schien uns als ideale Voraussetzung dafür, uns zumindest an die Höhe zu gewöhnen. Und mit dem guten Eindruck der Agentur AndesTrek in Quito beschlossen wir schließlich den Versuch zu wagen und buchten die dreitägige Tour, die uns auf den 5.897 Meter hohen Gipfel bringen sollte.

Tag 1 – Akklimatisierung am Iliniza Norte

Am ersten Tag wurden wir um 5 Uhr morgens von unserem Guide Gustavo abgeholt. Als „Übungsberg“ vor der Besteigung des Cotopaxi präsentierte uns die Agentur den Iliniza Norte, den mit 5.120 Meter niedrigeren der zwei Gipfel des Iliniza. Gustavo wählte die supersteile direkte Route auf den Berg, die normalerweise für den schnellen Abstieg dient. Aber laut Gustavo ähnelt diese Route den Bedingungen auf dem Cotopaxi und kann deshalb als ideale Vorbereitung herhalten.

Haben die fünf Stunden Aufstieg Spaß gemacht? Ganz ehrlich – überhaupt nicht! Das lag vor allem am  Mistwetter mit Dauernebel, kaltem Wind und Graupel. Die Aussicht lag praktisch bei null. Aber es was beruhigend, dass keiner von uns irgendwelche Kopfschmerzen oder sonstige Höhenkrankheitssymptome bekam und wir immerhin dann schon fast nebenbei einen 5.000er in der Tasche hatten. Es folgte eine schöne Übernachtung in einem verpennten Kuhkaff (im wahrsten Sinne) namens Chaupi, das nur von der Landwirtschaft lebt und wo überall Pferde und Kühe (ja, so richtige schwarzweiße) rumstehen.

Landschaft am Berg Illiniza in Ecuador, Akklimatisierung für die Besteigung des Cotopaxi
Auf dem Weg zum Iliniza Norte in Ecuador
Besteigung des Illiniza Norte in Ecuador, Akklimatisierung für die Besteigung des Cotopaxi
Aufstieg zum Gipfel des Iliniza Norte in Ecuador
auf dem Gipfel des Illiniza Norte in Ecuador, Akklimatisierung für die Besteigung des Cotopaxi
Auf dem Gipfel des Iliniza Norte

Tag 2 – Anfahrt zum Cotopaxi und letztes Ausruhen auf der Hütte

Der zweite Tag bestand aus Ausschlafen, Frühstück im schönen Hostel in Chaupi, gemütlicher Anfahrt zum Cotopaxi, Besuch des kleinen Cotopaxi-Museums und der Cotopaxi-Lagune. Wie die meisten Vulkane ist der Cotopaxi recht schüchtern und obwohl er die ganze Zeit schon in der Nähe gewesen war, blieb er die ganze Zeit vollständig in Wolken gehüllt. Für unseren geplanten Aufstieg machte das nicht gerade Mut. Aber just an der Lagune riss es plötzlich auf und da stand er dann, dieser Riesenklotz von Vulkan. Ernsthaft? Da wollen wir hoch? Wir stiegen dann noch ein Stündchen auf zum Refugio bis auf 4.800 Meter. Gustavo übte noch die Benutzung von Steigeisen und Eispickel mit uns (dann wieder im Graupel und Hagel) bevor es Abendessen gab. Um 19 Uhr ging’s ins Bett. An Schlaf war aber nicht zu denken.

Der aktive Vulkan Cotopaxi in Ecuador
Der Vulkan Cotopaxi von der Lagune aus
Der Cotopaxi in Ecuador, Aufstieg zum alten Refugio
Aufstieg zum Refugio des Cotopaxi (wir waren übrigens unter den letzten Gästen auf der Hütte am 19. Januar 2014, am nächsten Tag begann der Abriss, um eine neue zu errichten)

Und dann war es soweit. Nach drei so gut wie schlaflosen Stunden klingelte schon wieder der Wecker. 22 Uhr. Dann gab es noch einen Tee und eine Scheibe Toastbrot. Um kurz nach 23 Uhr begannen wir den Aufstieg – unter sternenklarem Himmel mit den Lichtern von Quito in der Ferne, die uns während des ganzen Weges begleiten sollten.

Tag 3 – Aufstieg zum Gipfel des Cotopaxi

Den Aufstieg teilen die einheimischen Bergführer in fünf Teile: Teil 1 ist der Weg bis zum Gletscher, der in etwa einer Stunde erledigt ist. Ab dann werden die Steigeisen angeschnallt und fortan nur noch im Pinguin-Style über Eis und Schnee gelaufen. Teil 2 ist dann der erste, noch vergleichsweise einfache Teil der Gletscher-Begehung.

Und dann kommt Teil 3, den die Bergführer „Rompecorazones“ nennen, übersetzt der „Herzzerstörer“. Dort wird’s richtig, richtig steil. Dort entscheidet sich für viele, ob sie die Besteigung des Cotopaxi abbrechen oder weiter aufsteigen. Übrigens kommen nur etwa 50% der Leute, die es versuchen, auch oben an. Auch für uns war es grenzwertig, sehr grenzwertig. Nie im Leben hatten wir etwas anstrengenderes gemacht, so um jeden Schritt kämpfen müssen, so um jeden Atemzug ringen müssen. Aber wir machten weiter, Schritt für Schritt für Schritt durch die Nacht. Dabei befolgten wir stur das Motto unseres Guides Gustavo “slowly, slowly”. Unsere Finger und Zehen waren permanent kalt. Vom wenigen Proviant, den wir dabei hatten, bekamen wir keinen Bissen herunter.

Teil 4 ging wieder besser, auch wenn sich dieser Teil über endlose zwei Stunden hinzog. Und als wir dann schon dachten, dass der letzte Teil nicht mehr so tragisch sein kann, wurde es nochmal steiler und die letzten anderthalb Stunden brachten uns völlig an unsere Grenzen. Zwar gab es wieder keine Anzeichen von Höhenkrankheit, aber es war für uns einfach unfassbar anstrengend, steil und dünnluftig.

Auf dem Gipfel des Cotopaxi (5.897 Meter)

Aber dann war es fast halb sieben am Morgen und es ging endlich nicht mehr weiter nach oben. Und da standen wir. Auf dem Gipfel. Am Krater des Cotopaxi. Jetzt ging die Sonne auf, tauchte den Schnee in goldenes Licht und gab eine unglaubliche Fernsicht frei auf alle Andenberge Ecuadors. In allen Richtungen tauchten sie aus dem Wolkenmeer auf. Das war der absolute Wahnsinn! Niemals zuvor hatten wir eine vergleichbare Aussicht gehabt. Am Ende war die ganze Tortur dieser Nacht alle Strapazen wert.

Ausblick über den Wolken während der Besteigung des Cotopaxi in Ecuador
Ausblick nach der Besteigung des Cotopaxi
Blick auf den Krater auf dem Gipfel des Cotopaxi (5897m)
Der Krater des Cotopaxi (Höhe: 5.897m)
Ausblick über den Wolken vom Gipfel des Cotopaxi in Ecuador (5.897m)
Aussicht vom Gipfel des Cotopaxi (5.897m)

Der Abstieg dauerte vier Stunden. Wir waren völlig im Eimer, aber sehr sehr glücklich. Unendlichen Dank an unseren Guide Gustavo, der uns so ruhig und besonnen auf den Gipfel geführt hat. Am Ende des Abstiegs trafen wir übrigens unsere drei Mitreisenden wieder, die den Cotopaxi zur gleichen Zeit mit einer Mountainbike-Tour besucht hatten. Eine schöne Überraschung.

(Erstveröffentlichung: Dienstag, 21. Januar 2014)

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